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Mediennutzung und Werbemarkt in Zeiten COVID-19 – Neue Lebenslagen verändern die Medienlandschaft

9 minute read | May 2020

Die COVID-19-Pandemie hat die deutschen Konsumenten zu sofortigen, weitreichenden Veränderungen ihres Lebensstils gezwungen. Bereits die ersten zwei Wochen mit bundesweit geltenden Ausgangsbeschränkungen und neu definierten Verhaltensregeln haben dazu geführt, dass auf der einen Seite die Verbraucher ihre Medien- und Konsumgewohnheiten angepasst haben und andererseits werbungtreibende Unternehmen auf die neuen Lebens- und Konsumbedingungen reagieren. Das zeigen die Ergebnisse der von Nielsen durchgeführten aktuellen Studien zur Medien- und Onlinenutzung sowie zum Werbemarkt.

Die Mediennutzung steigt übergreifend

Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass sich das Leben der Verbraucher in naher Zukunft wieder grundlegend normalisieren wird. Daher ist davon auszugehen, dass einige der aktuellen Verhaltensweisen habitualisiert werden und als Teil einer neuen Normalität Einzug in das Leben der Verbraucher und Werbungtreibenden halten. Der Gebrauch von Geräten und Medienangeboten ist in Zeiten von Social Distancing von übergreifend steigenden Nutzungsintensitäten geprägt:

Unabhängig vom Alter oder Geschlecht, die Verbraucher sehen, hören und lesen mehr von Allem – egal ob klassisches Fernsehen oder Video-Streaming, egal ob Print oder Podcasts. Die Nutzung aller audiovisuellen Geräte hat zugenommen und somit auch die meisten Medienangebote. Die Smart Speaker stechen hierbei hervor. Die ohnehin steigende Beliebtheit wurde dabei von den aktuellen Umständen nochmals gestärkt, so dass gegenwärtig knapp ein Drittel der 1.000 bevölkerungsrepräsentativ befragten Personen mindestens einmal pro Woche digitale persönliche Assistenten nutzen. Dabei scheinen besonders Personen im Alter von 18 bis 24 Jahren (85%) sowie Familien mit Nutzungswerten von 85% bzw. 57% besonders affin zu sein.

Es ist zwar nicht überraschend, dass Social Distancing zu einem erhöhten Medienkonsum in der Gesamtbevölkerung führt. Aber interessant wird es, wenn man sie nach Kanälen, Nutzungsdauer und Altersgruppen aufschlüsselt. Mit Zuwachsraten von 30% in der wöchentlichen Nutzung gegenüber Oktober 2019 erfährt insbesondere das klassische Fernsehen scheinbar eine Renaissance. Der erhöhte Bedarf an aktuellen Nachrichten, aber auch die Rezeption von Entertainment-Formaten beschert sowohl den öffentlich-rechtlichen als auch den privaten TV-Sendern tägliche Nutzungsraten von rund 50% der Bevölkerung.

Hierbei können besonders Personen im Alter von 35-54 Jahren wieder stärker von einer regelmäßigen Nutzung überzeugt werden, nachdem sie signifikante Anteile ihrer Video- und TV-Konsumzeit in den letzten Jahren in Richtung Streaming-Formate verlagerten.

Dies soll aber nicht heißen, dass nicht auch Video-Streaming von den geänderten Lebensbedingungen profitiert. Höhere Nutzungsdauern pro Tag, die sich etwa auf zwei Stunden an einem durchschnittlichen Wochentag tarieren, sowie die Nutzung von Diensten, die im letzten Monat erstmalig genutzt wurden, zeigen einen anhaltenden Boom von YouTube, Netflix, Amazon Prime und Co. Der seit dem 24. März neu auf dem deutschen Markt eingeführte Video-on-Demand-Dienst Disney+ hätte sich anscheinend keinen besseren Einführungstermin aussuchen können, um seine Filme und Serien den deutschen Zuschauern näher zu bringen: 10% der Befragten gaben an, Disney+ im letzten Monat neu genutzt zu haben – jeder Fünfte bei den 18-34-Jährigen und bei Haushalten mit zwei oder mehr Kindern.

Das Online-Surfverhalten verändert sich

Das Online Meter Panel Digital Content Measurement, bestehend aus 15.000 aktiven Personen in Deutschland, erlaubt es Nielsen das komplette Desktop-Nutzungsverhalten zu erheben. Es wird genau gemessen, was Personen im Netz tun und wie das Surfverhalten sowie Verweildauern auf relevanten Websites ist, unter anderem auf E-Commerce Seiten, Informationsportalen, Social Media Plattformen, sowie auch alle anderen relevanten Online Touchpoints. Somit ist Nielsen in der Lage aufzuzeigen, welche Auswirkungen die Pandemie auf das Surfverhalten der Deutschen hat.

Insgesamt ist in der demografischen Nutzung eine Angleichung festzustellen. Bedingt durch den Zwang, zu Hause zu bleiben und der Tatsache, dass man für den Kauf vieler Produkte und Dienstleistungen bedingt durch die aktuelle Situation auf Online-Bestellungen angewiesen ist, passt sich insbesondere die Altersgruppe ab 50 Jahren den Konsumraten jüngerer Bevölkerungsgruppen weiter an.

Im Vergleich der Kategorien, in denen sich User im Web aufhalten, werden Gewinner und Verlierer der Corona-Zeit sichtbar. Gesundheitsspezifische Portale und Nachrichtenseiten, aber auch Themen rund um Haus & Garten werden deutlich frequentierter und vielfältiger angesteuert, während Tourismusseiten massiv an Nutzerschaft verlieren. Websites wie die vom Robert-Koch Institut generieren im März mit einer Unique Audience von knapp vier Millionen einen Anstieg von +500% gegenüber dem Vormonat. Überhaupt sind in der Beobachtung einzelner Bevölkerungsgruppen starke Veränderungen in der Kategorie Gesundheit sichtbar. Vor allem im März sind noch mehr weibliche Besucher auf den analysierten Gesundheitsseiten, während sich die Anteile der Altersgruppen angleichen.

Der Werbemarkt muss sich neu orientieren

Diese neue Welt könnte auch positive Auswirkungen auf die Werbewirtschaft haben, da mehr Medienkonsum auch höhere Reichweiten und somit auch größere Erreichbarkeiten der Verbraucher mit sich bringen. In der Realität erleben die Werbungtreibenden allerdings ein Schleudertrauma, da ein Großteil der Wirtschaft zum Erliegen gekommen ist. Angesichts der Ungewissheit über die Zukunft, reagieren viele Unternehmen mit Marketing-Askese. Sie versuchen alle Aktivitäten, die nicht für das wirtschaftliche Überleben immanent sind, auf ein Minimum zu reduzieren. Andere wiederum passen sich sehr schnell den neuen Gegebenheiten an und reagieren mit angepassten Kampagnen- und Kommunikationsstrategien, um auf Produkte und Marken aufmerksam zu machen.

In den Werbemarktumsätzen der Nielsen Werbestatistik sind die Corona-Auswirkungen im ersten Quartal 2020 zu spüren, allerdings bei Weitem nicht in einem solchen Ausmaß, wie er für den Folgemonat April zu erwarten ist. Während die Monate Januar und Februar in fast allen Mediengruppen ein Wachstum im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten, verlieren im März fast alle Mediengruppen. Werbemedien mit regionalem Fokus und Out-of-Home sind besonders betroffen. Dies macht sich im März durch sinkende Werbeinvestitionen in Kino (-24% gegenüber dem Vorjahresmonat), Radio (-21%) und Regionalzeitungen (-20%) bemerkbar. Out of Home Medien konnten im März mit einem Rückgang von -1% die Werbeinvestitionen des Vorjahres nahezu halten. Hintergrund sind hier strukturelle Gegebenheiten wie beispielsweise bereits laufende Kampagnen. Im April ist aber auch hier ein deutlich stärkerer Rückgang zu erwarten.

Am 22. März wird das Kontaktverbot ausgesprochen und der Rückgang der Werbeaufwendungen beginnt. Die meisten Läden müssen schließen und viele Werbetreibende stornieren ihre Kampagnen. Aber das Werbevolumen wird nicht einfach nur geringer, es verändert sich auch inhaltlich. Die deutschen Werbetreibenden reagieren teilweise innerhalb von wenigen Tagen auf die neuen Entwicklungen im Land und greifen den Einsatz gegen die Viren oder den Zeitvertreib während „Social Distancing“ in ihrer werblichen Kommunikation auf. Im März werden Corona-Kampagnen mit einem Gesamtwert von knapp 100 Mio. Euro registriert:

Die höchsten Werbeaufwendungen zum Thema Corona entfielen auf den Handel, der sich bei seinen Mitarbeitern für den Einsatz bedankt oder seinen Kunden Mut macht noch etwas durchzuhalten, zum Wohlergehen der gesamten Gesellschaft.

Die Hälfte der Corona-Anzeigen bezieht sich auf die Geschäftskontinuität, obwohl die meisten Anzeigen auch noch weitere Botschaften enthalten. Werbetreibende aus verschiedenen Kategorien (von Einzelhändlern bis hin zu Apotheken und Autowerkstätten) kommunizieren in ihrer werblichen Kundenansprache die Sicherheit, die kontaktlose Lieferung, Reparatur, Installation und Bezahlung sowie die Umsetzung anderer Hygienemaßnahmen (1,5m Abstand, geringere Anzahl von Kunden im Geschäft, spezielle Servicezeiten für Risikogruppen, Desinfektion usw.).

Wie auch in der Nutzung von Medien oder im Online-Surfverhalten gibt es auch in der Werbung Akteure, die von den neuen Lebensgegebenheiten profitieren oder negativ beeinflusst werden. Die Telekommunikationsbranche sowie Videokonferenzplattformen haben schnell die Zeichen der Zeit erkannt und in neue Kampagnen investiert. Denn wenn die Bevölkerung Zuhause bleibt, nutzt sie ihre Festnetz- und DSL-Verbindung mehr als je zuvor und braucht Software, um sich zu vernetzen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an den Nutzungszahlen der Websites wie etwa von Microsoft Teams, die im März mit einer gemessenen Unique Audience von über 600.000 mehr als das Zehnfache der Nutzerschaft gegenüber dem Vormonat verzeichnen kann.

Touristik ist zweifelsohne eine der Branchen mit dem höchsten Rückgang der Werbeaufwendungen. Während in vielen anderen Branchen die Werbeaufwendungen erst in der zweiten Märzhälfte reduziert wurden, war die Tourismus-Branche schon deutlich früher betroffen. Fernreisen (z.B. nach Asien) waren schon im Februar teilweise nicht mehr möglich und so wurden geplante Werbekampagnen von Flug- und Schiffslinien & -touristik frühzeitig zurückgezogen.

Fazit – Wer gewinnt, wer verliert?

Die durch die Pandemie erzeugten Veränderungen in der sozialen und kommerziellen Landschaft führen dazu, dass Unternehmen und Marken ihre Werbebudgets zurückschrauben müssen – und dies trotz eines erhöhten Konsums der meisten werberelevanten Medien. Die Menschen in Deutschland verbringen während des Social Distancing deutlich mehr Zeit Online oder vor dem Fernseher. Aber nur diese Tatsache wird Werbetreibende nicht unbedingt dazu bewegen stärker in Display-Anzeigen und TV-Spots zu investieren. Viele Marken werden es auch im Allgemeinen vermeiden, dass ihre Anzeigen neben der Berichterstattung über Coronaviren erscheinen. Das Thema aber inhaltlich in der werbliche Kundenansprache aufzunehmen kann ein Schlüssel zum Erfolg sein.

Die enormen Rückgänge des Werbevolumens in den letzten beiden März-Wochen, sind nur ein Vorbote für das, was uns im April erwartet. Eine weitere Marktbeobachtung ist unabdingbar, um zu erkennen, ob die Trends aus dem März sich fortsetzen oder ob mit den ersten Lockerungen der Länder schon eine Kehrtwende zu erkennen ist. Wir können aber davon ausgehen, dass nicht alle Sektoren gleichermaßen von der Coronakrise betroffen sind. Für Marken, die Online erhebliche Umsätze erzielen und für Einzelhändler, die in der Lage sind, ein robustes Angebot aufrechtzuerhalten, kann die Werbung auch während der Pandemie zu einem gesunden ROI führen. Werbungtreibende, die kurzfristig in der Lage sind ihre Kampagnen- und Marketingstrategien anpassen zu können sowie Marken, die in den höheren Reichweiten einen lukrativen Mehrwert sehen, können von den veränderten Bedingungen profitieren und sich einen entscheidenden Vorteil gegenüber Wettbewerbern sichern. 

Eines wird aber auch in den Zeiten nach Corona verändert bleiben: Die Landschaft der Streaming-Dienste. Durch das Auftreten neuer Anbieter, wie im März die Plattform Disney+, können neue Nutzergruppen auch langfristig angeworben und gehalten werden. So kommt Disney+ besonders bei jungen Familien gut an, die auf anderen Plattformen bisher noch nicht so zahlreich angesprochen wurden. In dem immer härteren Wettbewerb um Zuschauergunst wird nicht zuletzt die weitere werbliche Monetarisierung dieser Dienste und der bestehenden TV-Sender ein entscheidender Erfolgsfaktor sein – auch über die Zeiten eines “Social Distancing” hinaus.

Über die Studien

Nielsen Report: Der Medienkonsum in Zeiten COVID-19
Im Rahmen einer Onlineumfrage befragte Nielsen im Zeitraum 25. – 31. März 2020 1.000 in Deutschland lebende Internetnutzer im Alter von 18-69 Jahren zu ihrer Mediennutzung. Die Studie beleuchtet u.a. die Nutzung von Medienangeboten, Nutzungsgewohnheiten und -intensitäten sowie Vertrauen in Informationsquellen, Werbeformen und Internet-Dienste.

Nielsen Report: Der Werbemarkt in Zeiten COVID-19
Die Studie beleuchtet auf Basis der von Nielsen erhobenen Bruttowerbedaten aus dem 1. Quartal 2020 das Werbegeschehen der deutschen Werbetreibenden. Aus den Bruttowerbedaten und Werbekreationen lässt sich detailliert ablesen, welche Mediastrategie die Werbetreibenden verfolgen und mit welchen Kampagneninhalten sie die Konsumenten ansprechen.

Nielsen Report: Das Online-Surfverhalten in Zeiten COVID-19
Mit Hilfe des Online Meter Panel „Digital Content Measurement“, welches aus 15.000 aktiven Desktop-Panelisten und 6.000 Personen mit Smartphone oder Tablet besteht, wurde das Online-Surfverhalten im 1. Quartal 2020 gemessen. Die Studie zeigt auf Basis der Unique Audience auf, wie sich die Besucherzahlen auf Websites und Branchen entwickeln und wie sich die Top genutzten Suchbegriffe in den ersten drei Monaten des Jahres veränderten. 

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